Einkommensteuertarif

Kalte Progression

Im Vorfeld ihres Bundesparteitages streitet die CDU über viele Themen. Vergleiche hierzu die Rheinische Post: "Angela Merkels Machtoptionen schwinden". Mit einem der Streitpunkte, der kalten Progression, will ich mich hier beschäftigen. Was das ist und wie die kalte Progression wirkt, beschreibt aktuell ein Artikel der WELT sehr gut: "Bürgern stehen 'massive Steuererhöhungen' bevor".

Wie der geneigte Besucher meiner Homepage selbst feststellen kann, bin ich ein Verfechter des Stufentarifs. Folgt man meinen grundsätzlichen Vorstellungen für eine grundlegende Steuerreform, so hätte der beständige Streit über eine Anpassung des Steuertarifs an die Geldwertentwicklung ein Ende. Es bedürfte lediglich der regelmäßigen Anpassung des Grundfreibetrages an die allgemeine Lohnentwicklung. Die Relation der einmal als gerecht empfundenen Belastungsspanne über alle Stufen bliebe erhalten, denn nach meinen Vorstellungen bestehen die einzelnen Stufen in einem Vielfachen des Grundfreibetrages.

Die Frage, über die jetzt wieder gestritten wird, liegt aber in dem Versuch begründet, dem Staat möglichst alle Einnahmen zu erhalten und sogar noch - ohne formale Steuererhöhung - zu steigern. Das ist unehrlich. Soweit ich die Presse verfolgt habe, sehen das alle Kommentatoren ebenso.

Was ist zu tun?

Wir brauchen erst einmal eine Reform der Unternehmensbesteuerung, die die Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform gleichmäßig besteuert. Wenn sich sodann die Einkommensteuer allein auf die Besteuerung der Erträge beschränkt, die der Privatsphäre der natürlichen Personen zugeflossen sind, lässt sich viel leichter über eine nach der persönlichen Leistungsfähigkeit gestuften Steuerbelastung diskutieren.

Diese Diskussion kommt aber nur dann zu einem gerechten Ergebnis, wenn sie auch die Besteuerung der Kapitalerträge wieder in den Focus rückt. Auf dieser Homepage finden Sie meine Vorschläge, die Deckelung der Zinsbesteuerung und ihren Abgeltunscharakter aufzuheben. Die Kapitalerträge müssen wieder in die allgemeine Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

Meine Ablehnung der Finanztransaktionssteuer habe ich damit begründet, dass diese nicht den Kern der Spekulation angreift, und gefordert, die erzielten Gewinne besser abzuschöpfen. Die Rücklagen des Normalbürgers sollten aber dadurch geschont werden, dass der Sparerfreibetrag wieder zu Ehren kommt.

Würde die Politik diese Gedanken endlich aufgreifen, wäre genügend Raum, den Bürger mit mittlerem Einkommen zu entlasten und Spitzeneinkommen würden auch wieder spitzenmäßig belastet.

08.12.2014

Jetzt hat die CDU doch noch die Kurve gekriegt:
Rheinische Post: "Die CDU plant eine Mini-Steuersenkung"!


Übrigens: Hier finden Sie einen Überblick, wie sich die steuerliche Belastung im historischen Vergleich darstellt! Die Tabellen hatte ich für meinen Vortrag vom 10.2.2009 erarbeitet. Im Prinzip wird sich auch für die späteren Jahre nichts wesentliches daran geändert haben.


11.05.2017: Hier der aktualisierte Belastungsvergleich!


Streit um den Spitzensteuersatz

30.01.2019 - Rheinische Post:
"Scholz denkt über höheren Spitzensteuersatz nach"

Zitat aus dem Bericht:

"Die SPD hatte schon in den Koalitionsverhandlungen angeboten, dass eine komplette Soli-Abschaffung mit einer Anhebung des Spitzensteuersatzes gegenfinanziert werden könnte."

Was ist daran so falsch, dass jetzt Peter Altmeier dagegen wettert?

"Wir brauchen stattdessen Steuerentlastungen für alle Bürger, für schwache und starke Schultern gleichermaßen. Deshalb schließt der Koalitionsvertrag Steuererhöhungen zu Recht kategorisch aus."

Ich habe beide Minister auf den von mir angestellten Belastungsvergleich hingewiesen. Danach sind es eindeutig die unteren und mittleren Einkommen, die die ganze Steigerung der Steuerlast zu tragen haben, während die Spitzeneinkommen längst entlastet worden sind.

Die Politik sollte einfach mal ehrlicher argumentieren. Dazu gehört auch, in die Gesamtbetrachtung ebenfalls die Belastung der Bürger mit indirekten Steuern einzubeziehen. Deren Sinn ist durchaus als Instrument der Lenkung nachvollziehbar. Gerade untere Einkommen werden dadurch aber stärker belastet. In meinen Überlegungen zum Bürgergeld bin ich darauf längst eingegangen.


Neues Bündnis für Steuerentlastung der Mitte!

20.01.2020 - Süddeutsche Zeitung:
"Geschätzt vier Millionen Deutsche zahlen Spitzensteuersatz"

Zitat aus dem Bericht:

"Dass 1,7 Millionen Menschen den Spitzensatz zahlen, ohne Spitzeneinkommen zu haben, ist unfair und schadet dem Ansehen des Steuersystems." Das sagt nicht der FDP-Parteichef, sondern Dietmar Bartsch, der Fraktionschef der Linken im Bundestag."

Eine lesenswerte Analyse über die Gedanken des Spitzenpersonals eigentlich gegensätzlicher Ideologien!

Es ist wirklich an der Zeit, endlich einen neuen Steuertarif zu entwickeln. Gerade angesichts sprudelnder Steuerquellen sollte das jetzt kein Problem sein. Die Politik muss nur wollen. Das neue Bündnis von FDP und Linke wird dazu aber nicht reichen.


Den aktuellen Steuertarif finden Sie in
§ 32a Einkommensteuergesetz

Danach (Fassung 2022) betragen die Grenzsteuersätze:

Grundfreibetrag 10.347 €
Proportionalzone 10.348 € - 58.596 €

Spitzensteuersatz 42% ab 58.597 €
"Reichensteuer" 45% ab 277.826 €

Zahlen zum Durchschnittseinkommen

Auch unter Berücksichtigung einiger Freibeträge kann man feststellen:
Mit rund dem 1,5-fachen Durchschnittseinkommen
greift der Spitzensteuersatz!

Mein historischer Belastungsvergleich

Mein Leserbrief an die Rheinische Post vom 15.01.2022
(Veröffentlicht in der Printausgabe vom 07.02.2022)


Bitte lesen Sie auch weiter unter:
Mein Unverständnis für die Haltung der FDP


Hinweis auf eine Broschüre des BMF:

"Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2021"

Daraus diese aufschlussreichen Grafiken:

Gesamtbelastung mit Steuern und Sozialabgaben in % des BIP:

Gesamtbelastung mit Steuern und Sozialabgaben eines Durchschnittslohns:


Jetzt neu verlinkt unter: "BMF-Monatsbericht Juli 2022".

Während die Gesamtbelastung mit Steuern und Sozialversicherungsabgaben bezogen auf das BIP im Ländervergleich noch vertretbar ist, wird Deutschland hinsichtlich der Belastung des Durchschnittslohns nur noch von Belgien übertroffen! Ich sehe darin einen weiteren Beleg für die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der Abgabensysteme, damit den Arbeitnehmern "mehr Netto vom Brutto" verbleibt. Deshalb sollte jetzt ernsthaft über eine Wertschöpfungsabgabe diskutiert werden, um die Lasten angemessen zu verlagern. Diese Broschüre aus dem Haus des Bundesfinanzminsters ist doch ein Beleg für die zum Himmel schreiende Steuerungerechtigkeit in Deutschland. Während die Arbeitslöhne hoch mit Abgaben belastet sind, werden Kapitalerträge niedrigst besteuert. Wie lange soll eigentlich noch über die Abschaffung der Abgeltungssteuer diskutiert werden?

21.07.2022 - zuletzt überarbeitet am 28.07.2022


Lindner lernt es nicht

Noch immer hat sich Lindner nicht die Erkenntnisse seines Ministeriums zu eigen gemacht; er behauptet schon wieder:

"Wir sind inzwischen ein Höchststeuerland, aber dennoch reichen die Einnahmen nicht aus, um alle gesetzlichen Aufgaben zu finanzieren."

Quelle: Rheinische Post:
Bundesfinanzminister Christian Lindner im Interview

Ich habe die Interviewerin gerügt, dass sie das so hat durchgehen lassen. Die RP ist von mir immer wieder auf meine Analyse der amtlichen Broschüre hingewiesen worden! Und da auch der WDR heute dieses Zitat in seinen Meldungen brachte, habe ich auch dort die kritiklose Übernahme der Aussage beanstandet.

Im Laufe des Tages wurde im Radio und TV des öfteren über das Interview Lindners berichtet; das von mir gerügte Zitat wurde aber nicht mehr wiederholt! Haben sich da tatsächlich Redaktionen meinen Hinweis auf die Broschüre des BMF näher angesehen?

08.04.2023

Nachtrag vom 08.05.2023:

"Wo die meisten Einkommensmillionäre leben"

Zitat aus dem Bericht:

"Nur 0,6 Prozent aller Millionenschweren verdienen Geld vor allem mit Kapitalvermögen. Das hat auch damit zu tun, dass die Kapitalerträge seit Einführung der Abgeltungssteuer 2009 nicht mehr vollständig erfasst werden können."

Auch diese Statistik belegt mal wieder die Schieflage in der Verteilung der Steuerlast. Gut dass der Verfasser des Berichts auf die Ausklammerung wesenticher Einkünfte hingewiesen hat. Es wird Zeit, dass die Kapitaleinkünfte ebenfalls der persönlichen Progression unterworfen werden. Dann erscheinen sie auch in der Einkommensstatistik!

Noch einmal anders gesagt: Die Broschüre des BMF erfasst das gesamte Steueraufkommen des Staates und vergleicht es international im Verhältnis zum jeweiligen BIP. In die Einkommens-statistik des Statistischen Bundesamtes fließen allein die Veranlagungsergebnisse (Steuerbescheide) der Finanzämter ein. Wenn also wegen der Abgeltungssteuer die Kapitalerträge deshalb nicht erfasst werden, weil der persönliche Steuersatz sie sonst höher belasten würde, wird ein wesentlicher Anteil der steuerpflichtigen Einkommen nicht sichtbar. - Man kann es auch ein staatlich gefördertes Versteckspiel der Einkommensmillionäre nennen.


Eine Reform, die den Namen nicht verdient

10.08.2022 - RP-online:
"Lindner verspricht Steuerentlastung für 48 Millionen Bürger"

Zitate aus dem Bericht:

"Finanzminister Christian Lindner hat angesichts der hohen Preise eine Steuersenkung angekündigt. Jetzt legt er seine Pläne vor. Kritik gibt es auch schon: Topverdiener kämen dabei besser weg als Ärmere."

Solange Lindner nicht das Problem der Abgeltungssteuer anpackt, kann ich seine Vorschläge nicht ernst nehmen, denn es handelt sich nur um mickrige Konsequenzen der Inflation. Als Porsche-Fahrer ist ihm das Wohl der Porsche-Eigner offensichtlich wichtiger, als eine sachgerechte Steuerreform, die den Namen auch verdient. Solange er die Erkenntnisse seines eigenen Ministeriums ignoriert, ist er in meinen Augen eine totale Fehlbesetzung. Vergl. dazu auch meinen Kommentar zu dem Artikel auf RP-online.


Wem hilft die Reform und wem nicht

17.11.2022 - RP-online:
"So viel Steuerentlastung gibt es für Familien und Singles"

Zitate aus dem Bericht:

"Stopp der kalten Progression, mehr Kindergeld, höhere Freibeträge: Die Ampel entlastet viele Familien im nächsten Jahr um 1000 Euro und mehr. Bei Singles sind ebenfalls mehrere Hundert Euro Entlastung möglich. Das soll gegen die Inflation helfen."

"Den Wirtschaftsweisen passt die ganze Richtung nicht. In ihrem Jahresgutachten, das sie in der vergangenen Woche vorstellten, empfahlen sie der Bundesregierung, die kalte Progression jetzt nicht auszugleichen. Es sei wichtiger, etwas für die unteren und mittleren Einkommen zu tun."

Die Wirtschaftsweisen haben recht mit ihrer Kritik, dass mehr für die unteren Einkommen getan werden muss. Mich bestätigt das in meiner Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe, um so insbesondere die Arbeitnehmer in den Dienstleistungsberufen zu mehr Netto vom Brutto zu verhelfen. Die Diskussion zeigt aber, dass das nicht von allen verstanden wird.


Bitte lesen Sie auch weiter unter:
Reichensteuer


Gedanken zu den Äußerungen von Friedrich Merz

03.09.2023 - Süddeutsche Zeitung: "Senkt die Steuern für die Mittelschicht"

Zitate aus dem Bericht:

"Wie sieht ein gerechtes Steuersystem aus? Diese Frage beschäftigt die Bürgerinnen und Bürger dauernd. Und die Besteuerung ist in den vergangenen Dekaden ungerechter geworden."

"Charme haben dagegen die CDU-Überlegungen, der Mitte der Gesellschaft grundsätzlich mehr vom Einkommen zu lassen."

"Denn die deutsche Politik hat in den vergangenen Jahrzehnten Topverdiener und Reiche stark entlastet. Sie senkte den Spitzensatz von 56 auf 42 Prozent. Millionäre zahlen nur noch halb so viel Steuern auf Kapitalerträge."

"Erst wenn Top-Einkommen und Top-Vermögen einen stärkeren gesellschaftlichen Beitrag erbringen, kommen die nötigen Milliarden zusammen, um eine breite Entlastung der Mehrheit mitzufinanzieren."

"Wichtig wäre auch, die Debatte nicht auf Steuern zu verengen. Geringverdiener zahlen oft wenig Steuern, aber ab dem ersten verdienten Euro volle Sozialabgaben. Für sie bedarf es einer speziellen Entlastung."

Der Verfasser des Artikels war mir in der Verangenheit schon mehrfach durch seine guten Artikel aufgefallen. Deshalb hatte ich ihn auf meine Sicht zur Schieflage der Belastung der Bürger hingewiesen. Das hat er jetzt aufgegriffen und aus gegebenem Anlass in einen guten Zusammenhang gestellt.

Ich hatte auch Carsten Linnemann und Friedrich Merz auf meine Gedanken hingewiesen und von Linnemann eine Zusage erhalten, diese in seine Überlegungen für das CDU-Programm aufzunehmen. Vielleicht schafft es die CDU doch noch, die Bürger wieder ausgewogen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zu belasten. Der Artikel gibt dazu die richtigen Hinweise.


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