Verteilungskämpfe

Kommt es in Deutschland auch zu Demonstrationen wie im Süden Europas?

Ich habe seit der Einrichtung dieser Homepage zu verschiedenen Fragen Stellung genommen, die sich mit den Finanzbeziehungen des Staates zu seinen Bürgern beschäftigen. Ob es sich dabei nun um die Steuerpolitik, Sozialpolitik oder um die Schuldenpolitik mit ihren globalen Verwerfungen handelt. Leitbild für mich war immer und bleibt immer die liberale Sicht eines Bürgers, der mündig sein will, seine Lebensgeschicke selbst in die Hand zu nehmen und im verlässlichen - vom Staat garantierten - Rahmen selbst zu planen und zu einem zufrieden stellenden Ergebnis zu führen. Ganz nach dem alten Motto: "Jeder ist seines Glückes Schmied!"

Ob nun aufbauend auf den Grundsätzen christlicher Nächstenliebe oder des Humanismus; entscheidend ist aber auch die gegenseitige Achtung aller Akteure. Erheben sich "Macher" so sehr über ihre Mitmenschen, kommt es irgendwann zu Aufständen der Benachteiligten. Sklavenaufstände in geschichtlich zurückliegender Zeit oder aktuell die Proteste in den Mittelmeerländern Südeuropas oder der arabischen Welt sind Zeichen solcher Verwerfungen.

Angesichts der in den letzten Monaten immer deutlicher werdenden Verteilungskämpfe sehe ich die Gefahr, dass auch in Deutschland Unruhe aufkommt. Die Politik muss sich langsam auf den Kern ihrer Aufgaben besinnen. Hierzu einige zusammengefasste Fragen und Hinweise:

Schon im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in Europa habe ich angemahnt, nicht zu vergessen, dass man nur ausgeben kann, was man in der Tasche hat. Auch wenn Deutschland sich derzeit noch haushaltstechnisch über die Runden retten kann, so ist doch abzusehen, dass die inzwischen aufgetürmten Schuldenberge nur mit einem großen Schnitt durch eine Vermögensabgabe oder eine sich beschleunigende Inflation zu tilgen sind.

Die Diskussion um den Fiskalpakt hat deutlich gemacht, wie sehr Europa neidvoll auf die Erfolge deutscher Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik schaut und nun von uns fordert, von dem Erfolg abzugeben. Dabei übersehen aber alle Akteure, mit welchen Verwerfungen dieser äußerliche Erfolg erkauft worden ist.

Beispielhaft sei hier auf den Streit um die Hartz-IV-Neuregelung hingewiesen. Warum konnte man sich nicht endlich zu einer großen Lösung mit dem Bürgergeld durchringen, das den die jetzige Koalition tragenden Parteien als Wahlkampf-schlager diente?

Warum gibt es noch immer nicht die vor der Wahl 2009 versprochene Steuerreform? Nur weil der Koalitionsvertrag schlecht ausgehandelt worden ist und zu diesem Thema keine zwingenden Vorgaben enthält, die doch vor der Wahl so lauthals propagiert worden sind? Übrigens: Wie ich mir eine Steuerreform trotz Finanzkrise vorstelle, habe ich auch bereits dargelegt.

Warum wird jetzt über die Rentenpolitik gestritten? Nur weil endlich - gut platziert im Sommerloch - die Sozialministerin die drohende Altersarmut erkannt hat? Und schon sorgen sich berechtigt die Jungen, dass sie eine Beitrags bezogene Lösung nicht mehr bezahlen können.

Wann endlich lernt es die Politik, den so viel beschworenen wirtschaftlichen Aufschwung tatsächlich zur Finanzierung der Haushaltslücken heranzuziehen durch eine Wertschöpfungsabgabe? Nein, da wird die Energiewende zum Anlass genommen, die privaten Haushalte mit den ersichtlichen Mehrkosten zu belasten und die Industrie zu schonen.

Besonders traurig macht mich die Familienpolitik. Da wird den Eltern suggeriert, der Staat könne die Kinderbetreuung für billiges Geld zur Verfügung stellen und jetzt zeigt sich, dass der gesetzliche Anspruch kaum zu verwirklichen ist. Mit dieser Politik sind nur wieder neue Ungerechtigkeiten zwischen den Generationen erzeugt worden. Und der Staat hat sich eine neue fiskalische Zwangsjacke verpasst.

Wie sehr es in den staatlichen und kommunalen Haushalten an Mitteln zur Pflege der Infrastruktur mangelt, macht die in den letzten Tagen ausgebrochene Diskussion um eine City-Maut deutlich. Insbesondere zeigt sich, dass die in der Vergangenheit den Kommunen aufgedrängten Investitionszulagen gerne angenommen wurden, aber niemand bedacht hat, dass mit diesen Investitionen auch Folgekosten produziert werden. Während sich der Privatmann, der sich mit seinem Häuschen übernommen hat, leicht durch den Verkauf der Immobilie entschulden kann, sind staatliche Infrastrukturen nicht auf dem Markt zu verkaufen. Sie verrotten einfach als Bauruinen des Größenwahns.

Der Größenwahn mancher Kommune zeigt sich auch im Wettlauf um Neubürger bei sinkender Gesamtbevölkerungszahl. In der jetzt im Regierungsbezirk Düsseldorf angestoßenen Regionalplanung leisten sich die Kommunen des Bezirks einen ruinösen Wettbewerb, der an Kannibalismus grenzt, und das zu Lasten der wenigen noch verbliebenen Freiflächen im hiesigen Ballungszentrum.

Mit diesen Ausführungen habe ich jetzt einmal den roten Faden aufgezeigt, der sich durch die Fehler der letzten Jahre zieht. Es ist an der Zeit, dass alle Akteure der politischen Bühne einsehen, dass es keinen Sinn macht, polemisch über die Positionen der anderen herzufallen, sondern immer dringender ein Schulterschluss der Demokraten gefordert ist, um so dem Bürger den freiheitlichen Entscheidungsspielraum wiederzueröffnen und ihn in die Pflicht zu nehmen, ihn auch verantwortungsvoll zu nutzen.

Langenfeld, den 5. Oktober 2012


Mahnende Worte unseres Bundespräsidenten

Auf einem Führungstreffen der Wirtschaft hat heute Bundespräsident Joachim Gauck eine mutige Rede über die Maßlosigkeit von Wirtschaft, Verbraucher und Politik gehalten. Die Gier habe uns in diese Krise geführt.

Die Rede endet mit den Worten: "Wir alle sind frei, aber keiner von uns ist frei von Verantwortung."

Besser kann man es nicht ausdrücken, um deutlich zu machen, wo die Ursachen der Banken-, Finanz- und Staatsschuldenkrise liegen. Und wir alle sind damit aufgerufen, darüber nachzudenken, welche Auswirkungen unser Handeln in der Zukunft haben wird. Nicht der kurzfristige Erfolg ist entscheidend; entscheidend ist, was dauerhaft bleibt.

Langenfeld, den 15. November 2012