Aktuelle Krisen - Brüche in unserem Denken

Was braucht der Mensch wirklich?

Seit einigen Tagen geistern Meldungen durch die Medien, die mich herausfordern, die im Untertitel formulierte Frage zu stellen.

Was verbindet diese Themenauswahl?

Der Schwenk in der Energieversorgung führt zu immer neuen Kapriolen. Wenn wir den Klimawandel ernst nehmen und etwas dagegen tun wollen, weil wir es dringend müssen, ist das das Zentrum aller Gedanken. Es führt kein Weg daran vorbei; es kostet viel Geld und Verzicht, wenn wir unsere Lebensgrundlagen retten wollen.

Ist es gerecht, wenn die großen Energieverbraucher der Industrie subventioniert werden, aber das nicht so große Gewerbe, die Dienstleistungseinrichtungen und Otto Normalverbraucher das ausgleichen sollen - durch höhere Strompreise oder Steuern? Dem Kommentar kann man wohl zustimmen.

Ist es gerecht, wenn die Arbeitszeit in ausgewählten Branchen auf vier Tage in der Woche und bei vollem Lohnausgleich reduziert werden soll, während gerade im Dienstleistungsbereich Arbeitskräfte fehlen und die vorhandenen physisch und psychisch ausgebrannt sind?

Ist es wirklich demutsvolle Einsicht, wenn der Flughafen Düsseldorf erkennt, dass das Massengeschäft mit der Fliegerei ein Ende hat? Oder vertraut man darauf, seine Geschäfte mit dem Massentourismus irgendwann doch wieder ausweiten zu können?

Was haben uns der Klimawandel, die Corona-Pandemie und der Krieg Putins gegen die Ukraine zu sagen? Sollten wir nicht wirklich einmal darüber nachdenken, dass das ungebremste Wachstum im globalen Norden ein Ende haben muss? - Um das Klima zu retten und nicht den Neid anderer zu fördern. Die Flüchtlingskrise macht doch deutlich, dass Terror und Hunger in der Welt des globalen Südens eine neue Völkerwanderung in Gang gesetzt hat. Wie wollen wir der in Verantwortung für die Menschen begegnen?

Es ist noch nicht lange her, da war wieder der nationale Erdüberlastungstag; die uns für dieses Jahr zustehenden Ressourcen haben wir also inzwischen schon verpulvert. Für den Rest des Jahres brauchte es jetzt noch zwei Erden, um uns diesen Luxus weiter leisten zu können.

In der jüngsten Sendung "Hart aber fair" wurde über die fehlenden (Sozial-) Wohnungen diskutiert. Ein Fazit war, dass Bauen deshalb so teuer ist, weil wir auf viel Fläche pro Kopf und das bei hohem Standard wohnen möchten. Und diese Standards sind von der Bauindustrie selbst gesetzt worden, um zu verdienen. Während wir beim Autokauf zwischen Kleinwagen und Ferrari wählen können, stehe beim Hauskauf nur der Ferrari zur Verfügung. Und wer weniger Luxus möchte, werde abgewiesen, weil genügend andere Kunden vor der Tür stehen.

Ich habe keine fertige Antwort. Die Themen sind zu komplex für eine schnelle Lösung. Trotzdem ist es notwendig, diese Zusammenhänge ernsthaft zu diskutieren. Die Politik darf sich davor nicht drücken. Und die Presse darf eine ernsthafte Diskussion nicht durch Totschlagargumente abwürgen. Schlagworte gegeneinander zu stellen, hilft nicht weiter, die den Fragen immanenten Widersprüche aufzuklären. Gefragt ist die Einsicht jedes einzelnen Bürgers, seinen Beitrag leisten zu müssen. Dabei ist ein "Weiter so", weil es eh nichts bringe, der falsche Ansatz. Jeder Verzicht hilft unserem Klima und trägt zur Rettung unserer Lebensgrundlagen bei.

Eine Leitlinie für die richtige Antwort könnte provokant so formuliert werden:

Unverzichtbar sind

  • eine warme Wohnung, um im Winter nicht zu frieren,
  • Kleidung von guter Qualität für eine lange Tragezeit,
  • gesunde Nahrung aus regionalem Anbau und saisonaler Ernte.

Alles andere, was wir heute so gerne kaufen und nach kurzer Nutzung in den Müll werfen, sollte gründlicher hinterfragt werden. Das muss nicht bis zur Askese übertrieben werden, aber weniger Wegwerfmentalität, weniger Mobilität aus lauter Spaß, dafür bewussteres Erleben täte uns allen und unserer Umwelt schon gut. Das gilt privat, aber auch für die Forderungen an die Politik, die immer mehr Luxus möglich machen soll.

Ich habe auf dieser Homepage aus Anlass der Corona-Pandemie meine Gedanken über den Glauben an einen Schöpfergott formuliert. Der Mensch steht in der Verantwortung, seine Lebensgrundlagen zu schonen, damit sie noch vielen Generationen dienen können. Bescheidenheit und Demut gegenüber dieser wundervollen Welt ist angesagt. Wir dürfen sie nicht ausbeuten, um unsere Gier zu befriedigen. Überall in der Welt, wo Gier nach mehr das Leben bestimmt, entstehen die Probleme, die uns in den Abgrund ziehen.

10.05.2023


Aus aktuellem Anlass verweise ich auch auf diese Anmerkung:
Werbeaktion für das Glasfasernetz der Stadtwerke


Über den Konsumrausch

07.03.2024 - Süddeutsche Zeitung:
"Wann sind wir zu dem geworden, was wir haben?"

Zitate aus der Kolumne:

"Laut dem Statistischen Bundesamt besitzt ein deutscher Haushalt heutzutage im Schnitt 10.000 Gegenstände. Vor 100 Jahren waren es noch 180. Mittlerweile gibt es mehr menschengemachte Masse auf der Welt als Biomasse."

"Die meisten von uns kennen das Gefühl, etwas Neues, Besseres haben zu wollen, und wenn wir es kaufen, übernehmen wir den fiktiven Mangel in unsere Sprache. Wir sagen fast nie: 'Ich möchte so gern ein neues Smartphone.' Wir sagen: 'Ich brauche ein neues Smartphone', und sprechen nicht aus, dass das alte noch funktionstüchtig ist und das neue lediglich eine noch bessere Kamera hat."

"Ich will hier niemandem ein schlechtes Gewissen machen. Aber die Masse an Dingen, die wir anhäufen, wird für unsere Erde zum Problem."

"Im Jahr 2022 wurden aus Deutschland 5,5 Kilo Altkleider pro Kopf exportiert. Das sind 70 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Vor Deutschland liegen nur die USA, gleich dahinter China."

"Heute gibt es ganze Industriezweige, die sich durch die 'Neu ist besser'-Logik am Leben erhalten. (...) Dabei könnte viel mehr Reparatur im eigenen Land stattfinden und als Wirtschaftszweig ausgebaut werden."

Ein eindruckvolle Abhandlung über die Sucht des Menschen, immer Neues und immer Mehr haben zu wollen. Am Schluss dann Tolstois Geschichte von dem Landwirt Pachom, der den Hals nicht voll kriegen konnte und einen Fußmarsch um einen Acker machte, den er geschenkt bekommen wollte. Am Ende des Tages brach er tot zusammen. "Dann nimmt ein Knecht Maß an Pachoms Körper, um genauso viel Erde für ein Grab auszuheben, dass der Tote hineinpasst."

Könnte es nicht friedlicher unter den Menschen zugehen, wenn alle die Gier zähmen könnten?


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