Gemeinnützigkeit von Vereinen

Förderung in Konkurrenz zu den Parteien?

Seit dem der Kampagnenorganisation Campact der steuerrechtliche Status der Gemeinnützigkeit aberkannt worden ist und der Bundesfinanzminister darauf drängt, reinen "Männervereinen" ebenfalls die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, ist ein heftiger Streit darum entbrannt, ob die derzeitige Rechtslage, steuerbegünstigt Spenden sammeln zu können, noch der gesellschaftlichen Entwicklung gerecht wird. Zum aktuellen Stand der Diskussion ein Artikel der Rheinischen Post: "Greenpeace fürchtet um Steuervorteil"

Es wird zurecht darauf verwiesen, dass der Streit letztlich darum geht, dass inzwischen viele Organisationen der Zivilgesellschaft mit ihren Anliegen, die bisher unbestritten als gemeinnützig angesehen worden sind, in Konkurrenz zu den politischen Parteien treten, denn ihr Anliegen hat eben auch einen politischen Charakter. Es ist richtig, dass eine Einschränkung der Gemeinnützigkeit sie mundtot machen könnte.

Wer meine Aktivitäten rund um die Transparenz von Parteispenden verfolgt, wird verstehen, warum die Politik auf einmal Angst um ihre Privilegien bekommt. Parteien müssen zwar Rechenschaft über die Herkunft ihrer Gelder geben, tun dies aber öffentlich nur in einem beschränkten Umfang. Dagegen richtet sich meine Verfassungsbeschwerde.

Wer bei ihnen wie über Sachthemen entscheidet, ist angesichts solcher Intransparenz aber sehr ungewiss. Und das im Grundgesetzt statuierte Recht auf Volksabstimmung scheitert derzeit noch immer an einer vernünftigen Umsetzung; vgl. dazu Bürgerrecht auf Volksabstimmung.

Was bleibt den Bürgern da anderes, als die Organisationen zu unterstützen, die mit ihren Themen Druck auf die Politik ausüben, endlich die Dinge nach vorne zu bringen, um die sich die Politik jahrelang nicht gekümmert hat? Gerade der Klimaschutz hätte noch lange keine Fahrt aufgenommen, wenn sich da keine gemeinnützige Organisation drum gekümmert hätte. Genau das ist nun der Konflikt.

Während meiner Tätigkeit in der Finanzverwaltung habe ich mich auch gelegentlich um das Rechtsgebiet der Gemeinnützigkeit kümmern müssen, war aber immer froh, mich dabei auf sachkundige Hilfe der Kolleginnen und Kollegen stützen zu können. Es war schon immer voller Fallstricke. Eine Reform ist sicher angebracht. Sie muss aber sicherstellen, dass gerade die gesellschaftlich engagierten Kräfte nicht auf das Abstellgleis geschoben werden, indem man ihnen die Möglichkeit der steuerbegünstigten Unterstützung nimmt. Wer sich im Rahmen unseres Grundgesetzes gesellschaftlich engagiert, hat einen Anspruch auf Unterstützung verdient. Auch und gerade dann, wenn er damit der Politik außerhalb einer Parteimitgliedschaft auf die Füße tritt!

24.11.2019

Nachtrag vom 15.12.2019:

Der Angriff auf zivilgesellschaftlich aktive Plattformen geht weiter. In einem Newsletter bittet jetzt die Petitionsplattform change.org um Unterstützung.

Zitat aus der Mail:

"...kurz vor Weihnachten erreicht uns die Nachricht, dass das Finanzamt Berlin nun auch uns – dem Change.org e.V. – die Gemeinnützigkeit entziehen will. Wir sind nach attac, Campact und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes jetzt der vierte prominente Verein, der die Gemeinnützigkeit verlieren könnte. An Zufälle können wir nicht mehr glauben. Während der Wirtschafts-lobbyismus ungeahnte Ausmaße erreicht, völlig unkontrolliert ist und noch dazu als Unternehmensausgabe ganz selbstverständlich steuerbegünstigt ist, geht der Angriff auf die spendenfinanzierte Zivilgesellschaft weiter. "

Wenn Parteien sich nicht mehr um das Wohl der Bürger, sondern nur noch um das Wohl der Wirtschaft kümmern, bedarf es eben anderer Plattformen, auf denen Bürger öffentlich ihrer Stimme Gehör verschaffen.

Aktuelles Beispiel für die Auswirkungen von Lobbyismus zum Schaden der Bürger ist das Desaster rund um die Pleite von Thomas-Cook. Vor Jahren hat die Tourismusbranche offensichtlich erreicht, Versicherungskosten zu sparen.


Bundesverfassungsgericht gefordert

13.03.2021 - Süddeutsche Zeitung: "Demokratie erfordert Beteiligung"

Zitate aus dem Bericht:

"Das höchste deutsche Finanzgericht hatte dem globalisierungs-kritischen Netzwerk Attac wegen tagespolitischem Aktivismus die Gemeinnützigkeit aberkannt. Inzwischen hat der Verein Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt."

"Wenn die Vereine, so die Steuerbehörden und Finanzgerichte, zu viel Politik betreiben, dann erleiden sie steuerliche Nachteile, dann verlieren sie ihre Gemeinnützigkeit, dann dürfen sie keine Spendenquittungen mehr ausstellen, dann darf kein Spender mehr seine Spenden in der Steuererklärung geltend machen. Zu viel Politik ist also 'bäh' im Sinn des Steuerrechts. Die deutschen Steuer- und Finanzbehörden verfechten einen kastrierten Politikbegriff, der die Diskussion und die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Zuständen nicht umfasst. 'Politische Bildung' wird bundeszentralisiert."

Eine lesenswerte Analyse, der ich nur voll zustimmen kann. Mal abwarten, was jetzt das Bundesverfassungsgericht dazu sagt. Meine Verfassungbeschwerde für mehr Transparenz der Parteienfinanzierung hat es nicht zur Entscheidung angenommen. Jetzt kann das Gericht beweisen, ob ihm bürgerschaftliches Engagement eine steuerrechtliche Förderung genau so viel wert ist, wie die Unterstützung der Parteien.

Wer Parteien sponsert, bleibt meistens im Dunkeln, jedenfalls dann, wenn er damit unterhalb der Transparenzgrenze von 10.000 € bleibt. Im Dunkeln bleibt auch, welche Ziele er damit verfolgt und wie er diese in die Politik einbringt. Die jetzt benachteiligten Vereine setzen sich offen für politische Ziele der Zivil-gesellschaft ein und kämpfen dabei mit offenem Visier. Für mich ist es da keine Frage, wer mehr Förderung verdient.


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