Bürgerrechte

Des Volkes Staatsgewalt

Aktuelle Ereignisse bieten Anlass, darüber nachzudenken, in welcher Form die Bürger stärker in die politischen Entscheidungen eingebunden werden können. Gefordert ist mehr Demokratie durch Volksentscheide.

Das Verfahren um Stuttgart 21 hat gezeigt, dass Bürger, wenn sie denn Unterstützung bei der Zusammentragung der Sachargumente erhalten, sehr wohl abgewogene Empfehlungen aussprechen können. Stuttgart 21 hat aber auch gezeigt, dass es Politikern schwer fällt, diese Empfehlungen anzunehmen und einen Schlichterspruch anzuerkennen.

Auch die durch die Naturkatastrophe in Japan ausgelöste Diskussion um die Sicherheit der Atomkraft zeigt, wie dringend der Konsens mit der Bevölkerung ist. Was die seit Jahrzehnten anhaltende Diskussion um die Endlagerung des Atommülls nicht geschafft hat und bei Verabschiedung des Gesetzes über die Verlängerung der Laufzeit der AKW für die die amtierende Regierung tragenden Parteien noch undenkbar war, wird plötzlich auch von ihnen diskutiert.

Allein an diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass wir endlich verbindliche Regeln brauchen, wie Volkes Wille in der Politik durch Abstimmungen zu verankern ist, die über die regelmäßigen Wahlen und demoskopischen Umfragen hinaus gehen und Sachentscheidungen betreffen.

Hilfreich ist da ein Blick in Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom
Volke in Wahlen und Abstimmungen (...) ausgeübt.

Unterstreichung von mir!

Weiter von Interesse ist Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz:

Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung
des Volkes mit.

Die eingangs angesprochenen Beispiele machen deutlich, dass keine Partei mehr über eine ganze Wahlperiode zu allen aufkommenden Fragen im Sinne ihrer Wähler agiert. Zu neu aufkommenden Fragen konnten sich die Wähler ja auch noch nicht äußern. Und die Politikverdrossenheit kommt doch gerade auch daher, dass die Politiker nach der Wahl allzu oft ihre Versprechungen von vor der Wahl vergessen. Zu dieser Politikverdrossenheit habe ich bereits Anmerkungen gemacht.

Da wenig Hoffnung besteht, dass sich Politiker durch die von mir vorgeschlagene Änderung des Wahlrechts selbst dezimieren, müssen Wege gefunden werden, mehr Einfluss auf ihre Sacharbeit zu gewinnen. Wichtig ist mir deshalb die Aussage in Art. 21 (1) 1 GG, der wörtlich in das Parteiengesetz übernommen worden ist. Wenn danach von einem Mitwirkungsrecht der Parteien die Rede ist, bedeutet das allerdings auch, dass die Parteien kein Monopol auf die Willensbildung haben; sie sind Helfer, die Themen sachverständig aufbereiten und zur Abstimmung stellen sollen. Wir brauchen dazu dringend ein Bundesabstimmungsgesetz, das gleichrangig neben dem Bundeswahlgesetz steht.

Langenfeld, den 18. März 2011

Nachtrag vom 07.10.2018:

Der Verein "Mehr Demokraktie e.V." feiert 30-jähriges Jubiläum. In seiner Festzeitschrift ist ein Grußwort von Prof. Dr. Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) abgedruckt, der ebenfalls meine These von der (alleinigen !) Notwendigkeit eines Ausführungsgesetztes vertritt, um Volksabstimmungen zu ermöglichen.

Zitat aus dem Artikel:

"Warum soll man das Grundgesetz ändern, um etwas hineinzuschreiben, was dort schon ausdrücklich steht?"

Ich hoffe, dass dieser Weg endlich beschritten wird!


Wahldebakel

Das Wahlergebnis in BW macht deutlich, wie wichtig die direkte Beteiligung des Bürgers an konkreten Sachfragen ist. Allein die hohe Wahlbeteiligung im Ländle zeigt doch, dass man den Bürger mobilisieren kann, wenn ihm Themen wichtig sind. Es darf aber nicht sein, dass grundsätzliche Fragen erst zu einer völligen Umkrempelung der politischen Landschaft führen müssen, ehe die Politik begreift, was Volkes Wille ist.

Bei aller Freude darüber, dass jetzt die Hoffnung besteht, dass die bisherige Atompolitik endet und die Koalition, die noch kürzlich die Verlängerung der Laufzeiten der AKW gegen alle Bedenken durchgepaukt hat, auf die Sorgen der Bürger eingeht, so ärgerlich ist es aber auch, dass nunmehr die Gefahr besteht, dass mit dem Regierungswechsel in BW auch Bewährtes über den Haufen geworfen wird.

Was verschlägt es eigentlich, wenn eine Regierung, deren grundsätzliche Einstellung breite Bevölkerungsschichten zutreffend repräsentiert, kritisch gesehene Fragen zur Volksabstimmung stellt, so wie ich es im vorstehenden Artikel aufgezeigt habe? Muss man denn gleich die ganze Welt auf den Kopf stellen, um ein schwieriges Problem nach Volkes Willen zu lösen?

30. März 2011


Endlich Aussicht auf Fortschritt für mehr Demokratie?

Ein Bericht lässt hoffen; unter dem Titel "SPD macht Druck bei bundesweitem Volksentscheid " berichtet die FAZ über eine Initiative, die auch von FDP und Grünen unterstützt werden soll. Lediglich die Union sperre sich dagegen.

Zweifel bleiben allerdings. Denn dem Bericht nach ist das Zugeständnis noch sehr umständlich. Warum erst noch eine Änderung des Grundgesetzes? Es reicht doch, endlich ein Ausführungsgesetz zu beschließen, das eine Abstimmung gem. Artikel 20 Absatz 2 GG in wichtigen Fragen regelt, die von den Parteien kontrovers diskutiert werden und im Wählervolk ebenfalls verschiedene Meinungen unabhängig von Parteipräferenzen hervorrufen?

Wie ich oben beschrieben habe, könnte es doch so einfach sein, dem Bürger mehr Verantwortung zuzumuten und abzufordern. Und wenn dabei jeweils auf der Ebene abzustimmen ist, die die wesentlichen Kosten eines Projektes zu tragen hat, wäre dem Prinzip der Konnexität sicher eher zum Durchbruch verholfen, als derzeit bei der Mischfinanzierung. Über Stuttgart 21 auf Landesebene abzustimmen, während der Bund die wesentlichen Kosten des Projektes zu tragen hat, war so, als wenn man einen zu Beschenkenden fragt, ob er das Geschenk auch annehmen möchte. Entsprechend fiel das Ergebnis aus und die ganze Republik kann zahlen. *)

In der Schweiz klappt das doch auch mit der direkten Demokratie! Oder ist das Thema jetzt mal wieder nur dem Wahlkampf geschuldet?

Ich sehe auch kein Hindernis für meinen Vorschlag in dem nach Artikel 76 ff GG vorgeschrieben Verfahren der Gesetzgebung. Denn außerhalb dieser Abläufe gibt es schon heute ein vielfältiges Beteiligungsverfahren im Vorfeld der Gesetzgebung.

So werden schließlich die Referentenentwürfe vor Beschlussfassung im Kabinett regelmäßig den interessierten Verbänden zugeleitet. Vor längerer Zeit gingen auch Meldungen durch die Medien, nach denen solche Verbände direkt Entwürfe vorgelegt oder Vertreter in den Ministerien beschäftigten. Das ist weder in Artikel 76 GG vorgeschrieben noch entspricht es dem Geist von Artikel 20 GG. Wenn schon eine Beeinflussung der Gesetzgebung durch Personen außerhalb der für die repräsentative Demokratie Verantwortlichen, dann doch bitte durch eine transparente Volksabstimmung nach Artikel 20 GG.

Das Versprechen einer Partei, mehr Demokratie zu wagen, ist solange unglaubwürdig, wie auf angebliche Hürden der Verfassung und der Verweigerung anderer Parteien, diese durch eine Änderung aufzuheben, verwiesen wird, statt nach Wegen zu suchen, einfachgesetztlich dem Auftrag des Artikels 20 GG gerecht zu werden.

Langenfeld, den 19. Mai 2013 - zuletzt ergänzt am 23.05.2013

*) Nachtrag vom 30.11.2017:

RP: "Stuttgart 21 wird mehr als eine Milliarde Euro teurer"

Und in ihrem Kommentar scheibt die RP dazu:

"Nicht akzeptabel ist das zynische Spiel mit den Kosten. Wenn Bürger über ein solches Projekt entscheiden, dürfen die Kosten nicht schön gerechnet werden. Das ist aber vor dem letztlich bindenden Bürgervotum in Baden-Württemberg geschehen. Denn mögliche Kostensteigerungen werden von den Befürwortern stets kleingeredet."

Vergessen worden ist aber eben auch die Konnexität! Wegen der überwiegend aus Bundesmitteln stammenden Finanzierung hätte über das Projekt auch bundesweit abgestimmt werden müssen. Das Ergebnis wäre sicher anders ausgefallen.


Erster Volksentscheid zu Großprojekt

Die Entscheidung, keine olympischen Winterspiele nach München zu holen, finde ich beachtenswert. Die folgende Auswahl aus der Berichtsvielfalt macht deutlich, dass die Bürger anders denken als die gewählten Politiker und Interessenvertreter (hier des Sports):
"Bürger lehnen Olympia-Bewerbung ab"
"Das Ende des Wintermärchens"

Ohne meine eigene Meinung zu Sportgroßereignissen zu vertiefen, finde ich es erfreulich, dass sich eine breite Mehrheit findet, gegen das Votum offizieller Meinungsführer zu entscheiden.

Und einer zieht endlich die richtige Konsequenz: "Seehofer will landesweite Volksentscheide ausbauen". Das ist mutig und folgt ganz meinem Anliegen, die Bürger mehr an der Entscheidung über Grundsatzfragen teilhaben zu lassen.

11.11.2013

Und jetzt tatsächlich ein Durchbruch? "Schwarz-Rot - Volksabstimmungen bundesweit geplant". Ich lasse mich überraschen!

12.11.2013

Die Diskussion um mehr Demokratie wird richtig spannend:
RP vom 13.11.2013: "Die Schattenseiten der direkten Demokratie". Aber keiner schaut ins Grundgesetz!

In ihrer Kolumne vom 14.11.2013 beschreibt die Rheinische Post "Warum die Bayern ein kluger Schwarm sind". Eine sehr kluge und feinsinnige Interpretation kollektiver Entscheidungen. Allzu selbstverliebten Politikern zu empfehlen.


29.06.2016 - Rheinische Post: "Referenden – Volkes Stimme"

Eine lesenswerte Analyse; aber eines fehlt, das Zitat aus dem Grundgesetzes, das ich meinen Überlegungen zu Grunde gelegt habe! Warum schaut sich das niemand ernsthaft an und zieht daraus die erforderlichen Schlüsse?


05.09.2017 - Tagesschau.de: "Lammerts Abschiedsrede im Bundestag"

Zitat aus seiner Rede:

"Die Demokratie steht und fällt mit dem Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger."

Da frage ich: Warum tut sich die Politik so schwer damit, den Bürgen ein wie oben beschriebenes Mitbestimmungsrecht einzuräumen?


15.09.2017 - Rheinische Post: "Parteien für längere Wahlperiode"

Zitat aus dem Bericht:

"Wenn dafür eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat zustande kommt, könnte ab 2021 nur noch alle fünf Jahre gewählt werden. (...) Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte vorgerechnet, dass jeder Bundestag nach Abzug von Startphase und Wahlkampf für die faktische Arbeit nur zweieinhalb Jahre Zeit habe. (...) Neben CDU, CSU, SPD, Linken und Grünen äußerten sich auch FDP- und AfD-Politiker zustimmend. Allerdings wollen Linke und Grüne eine Amtszeitverlängerung nur mittragen, wenn das Minus an Bürgerbeteiligung bei Wahlen durch Elemente direkter Demokratie ausgeglichen wird."

Auch wenn die Forderungen nach mehr direkter Mitwirkung der Bürger durch Abstimmungen jetzt lediglich von Linken und Grünen erhoben werden, sind sie nicht falsch. Schon zu Lammerts Abschiedsrede habe ich daran erinnert, dass das unser Grundgesetz im Prinzip schon immer vorgesehen hat. Nur die Parteien haben es bisher versäumt, dazu ein vernünftiges Ausführungsgesetz in Kraft zu setzen.

Lesen Sie bitte meine Ausführungen zu den Bürgerrechten von Anfang an!


Volksabstimmung? - Politiker wollen nicht!

Ich hatte mich mit meiner Sicht auch per Petition an den Bundestag gewandt. Inzwischen habe ich eine Antwort erhalten.

In dem Papier habe ich ab Seite 5 unten die Abschnitte gelb markiert, die ganz besonders deutlich machen, dass es den Politikern schwer fällt, offen mit den Bürgern zu diskutieren, die nicht innerhalb einer Partei engagiert sind. Nach meiner persönlichen Erfahrung ist auch innerhalb der Parteien eine breite Diskussion aller Themen nicht erwünscht. Und Arbeitskreise haben immer nur den Blick auf ihre Fachthemen.

Es wird in der Stellungnahme auch in keiner Weise berücksichtigt, dass mit der Wahlentscheidung alle vier Jahre der präferierten Partei noch längst kein Freibrief erteilt worden ist. Im Laufe einer Wahlperiode tauchen - wie eingangs erwähnt - immer wieder neue Themen und Probleme auf, zu der möglicherweise dem Lösungsvorschlag einer anderen als der zuletzt gewählten Partei der Vorzug gegeben wird.

Immerhin wird in dem Vermerk ausdrücklich erwähnt, dass das Grundgesetz Volksabstimmungen auch auf Bundesebene grundsätzlich zulässt, aber eben nur in zwei konkreten Fällen fordert. Daraus zu folgern, weitere Fälle müssten ausdrücklich durch eine die Verfassung ändernde Mehrheit beschlossen werden, halte ich nicht für logisch. Ich lese aus dem Papier nur eine Richtung: Man will nicht!

Die Ablehnung auch noch mit dem Brexit zu begründen, halte ich für reine Polemik. Nach meiner Beobachtung war das Verfahren von vornherein populistisch angelegt. Schauen wir auf die Schweiz. Dort werden die Volksabstimmungen sorgfältig vorbereitet und die Lösungsansätze gründlich erläutert. Die Parteien sind einfach in der Pflicht, unterschiedliche Positionen nachvollziehbar darzustellen. Dann kann sich darüber auch jeder Bürger ein sicheres Urteil bilden. Aber der Vermerk unterstellt einfach, der Bürger sei dazu nicht fähig oder er sei bereits innerhalb der Parteiarbeit engagiert. Welch ein Hochmut!

Wenn die jetzt laufenden Sondierungen bereits erkennen lassen, wie schwer es ist, vier Parteien unter einen Hut zu bringen, sollte es doch erst recht angeraten sein, dass eine von ihnen künftig gebildete Regierung den Mut aufbringt, umstrittene Themen dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Dazu müssten dann die unterschiedlichen Lösungsvorschläge von allen Fraktionen umfassend erläutert werden. Dann könnte der Bürger sich für die ihm genehme Lösung entscheiden. Und wenn des Volkes Meinung nicht einhellig ist, können die Parteien immer noch versuchen, die Modelle mit der höchsten Zustimmungsrate zu einem Konsenspaket zusammenfügen.

06.11.2017

Nachtrag:

Es macht sich gut, dass jetzt das Bundesverfassungsgericht mehr Transparenz politischer Beratungen gefordert hat und dies damit begründet, dass eine durchgehende Legitimationskette gesichert sein muss, die sich auf Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG stützt.

Auch meine eingangs dieser Seite angestellten Überlegungen zum Recht der Bürger auf Volksabstimmung basieren auf der Frage, wie nach diesem Artikel Volkes Wille kontinuierlich ermittelt und umgesetzt werden kann. Es muss durch die dort vorgesehenen Abstimmungen möglich sein, immer wieder auch zwischen den Wahlterminen auf die Richtungen der Politik Einfluss nehmen zu können.

Für eine Perfektion unserer Demokratie ist noch viel Luft nach oben!

08.11.2017


Bitte lesen Sie auch weiter unter:
Bundestagswahl 2017 - Schleppende Regierungsbildung


Ein Vorsatz aus der Koalitionsvereinbarung 2018 der GroKo:

Wir werden eine Expertenkommission einsetzen, die Vorschläge erarbeiten soll, ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann. Zudem sollen Vorschläge zur Stärkung demokratischer Prozesse erarbeitet werden.

Da fällt mir nur ein Kommentar ein: Warum schon wieder das Schieben auf die lange Bank? Ist denn Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz nicht klar genug formuliert, um den Bürgern endlich ein Recht auf Abstimmung zu einzelnen Fragen einzuräumen?

Bitte lesen Sie hier, warum sich die Politik bisher dem Thema verweigert hat.


19.03.2019 - Rheinische Post: "Direkte Demokratie - da tut sich was"

Bericht über die erste Anhörung von Experten!


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