Abstimmung: "Ehe für alle"

Wandeln sich unsere Normen zur Beliebigkeit?

Jetzt hat der Deutsche Bundestag in einer ad-hoc-Aktion die "Ehe für alle" beschlossen. Wer sich dafür interessiert, wie sich die einzelnen Politiker in der namentlichen Abstimmung verhalten haben, findet dazu eine Übersicht in der Süddeutschen Zeitung: "So haben die Abgeordneten abgestimmt". Ersichtlich ist daraus, dass nur die Abgeordneten der CDU/CSU differenziert (nach Gewissen) abgestimmt haben, während SPD, Grüne und Linke einheitlich (dem Fraktions-zwang folgend?) für die Neuregelung eingetreten sind. Für mich wird daraus deutlich, dass es bei dieser Aktion vorrangig um eine Machtdemonstration vor der BT-Wahl ging.

In der hektischen Diskussion dieser Woche sind trotz allem vorsichtige Bedenken angebracht worden, ob das nun verabschiedete Gesetz verfassungskonform sei. Noch heute früh machte der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts, Papier, in einem Interview auf WDR5 geltend, dass das Grundgesetz Normen vorgibt, die man nicht nach wechselnden Mehrheiten beliebig abändern könne. Und das Verfassungsgericht habe noch immer die Ehe als die nach Artikel 6 GG dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung unterstehende Vereinigung von Frau und Mann als Keimzelle unserer Gesellschaft gewürdigt. Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft gebe es den ausreichenden Weg, die frühere Diskriminierung von Lesben und Schwulen aufzuheben und Ihnen weitestgehenden Zugang zu allen Rechtsansprüchen unseres Staates zu gewähren. Vergleiche auch FAZ vom 29.06.2017 "Die Verfassung wird verbogen".

Wie ich insgesamt die Familienpolitik sehe, habe ich bereits beginnend 2009 umfangreich dargestellt. Lesen Sie dazu bitte den Themenstrang unter Grundsätzliches zur Familienpolitik.

Ob man nun die Ehe und die sich daraus entwickelnde Familie aus religiöser Überzeugung oder biologischer Gesetzmäßigkeiten folgend als die grundlegende Lebensform des Menschen begreift, muss jedem allein überlassen bleiben. Sie verdient es aber, dem Gedanken unserer Verfassungseltern folgend, besonders vom Staat geschützt zu werden. Diesen Schutz hat die Mehrheit des Bundestages den Familien mit der heutigen Entscheidung verweigert.

Wenn in den letzten Tagen argumentiert wurde, mit der "Ehe für alle" nehme man niemandem etwas weg, der in der "klassischen" Ehe und Familie lebe, so halte ich das für hinterhältig. Verfolgt man die Politik der letzten Jahrzehnte, erkennt man einen schleichenden Verfall unseres Wertekanons. War es früher noch möglich, dass eine Familie in der von mir beschriebenen Arbeitsteilung ein angemessenes Leben führen konnte, in dem Kinder sorgenfrei aufwachsen und auf ihre Zukunft hingeführt werden konnten, so stellt man doch als Ergebnis jahrelanger Überbetonung ökonomischer Interessen des Kapitals fest, dass immer mehr Familien in prekäre Verhältnisse abgerutscht sind. - Trotz allen Geredes von sozialer Gerechtigkeit!

Ich wünsche mir, dass der Deutsche Bundestag auch einmal eine ad-hoc-Aktion startet, die das Gefüge unseres Sozialstaates wieder auf gesunde Füße stellt. Vorschläge dazu habe ich seit Jahren immer wieder an die Politik herangetragen. Eine Übersicht finden Sie auf der Leitseite zur Sozialpolitik.

30.06.2017

PS: Inzwischen habe ich eine persönliche Erklärung von MdB Thomas Dörflinger, Bundesvorsitzender des Kolpingwerkes, erhalten, den ich auch im Vorfeld dieser Entscheidung kontaktiert hatte.


01.07.2017 - Rheinische Post:
"Eine Verwässerung des Ehebegriffs"

Zitat aus dem Gastbeitrag von Erzbischof Heiner Koch:

"Nur so ist es übrigens auch zu erklären, dass viele der sogenannten 68er, die jetzt in Lobbygruppen, aber auch im Parlament politische Entscheidungen prägen, eine Kehrtwende vollzogen haben: Kämpften sie bislang gegen das lebensfeindliche Auslaufmodell Ehe, so gehören sie nun zu den glühenden Verfechtern der Ehe für alle als die Lösung für alle Fragen von Gleichberechtigung, Verbindlichkeit und Zusammenhalt, als das Ende der Diskriminierung."

Dieses Zitat trifft genau die bereits in meinem vorstehenden Artikel als Hinterhältigkeit beschriebene Argumentation der Befürworter der "Ehe für alle".


01.07.2017 - Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.:
"Selbstmord der Zivilisation?"

Fazit der Abhandlung:

"Professor in Cambridge Joseph D. Unwin (1895 - 1936), hat (...) in einer umfangreichen Untersuchung über „Sex and Culture“ an 80 unzivilisierten und 8 Hochkulturen über 5000 Jahre herausgefunden, dass alle Hochkulturen streng monogam begannen und eine Generation nach dem Zerfall der Familienstrukturen untergingen. Die 'Ehe für alle' könnte diesen Prozess beschleunigen und dem großen Kulturhistoriker Arnold Toynbee recht geben, der sagte: 'Zivilisationen gehen nicht zugrunde, sie begehen Selbstmord'."


"Familienpolitik" - immer verrückter!

Die Diskriminierung von Lesben und Schwulen war sicher keine Glanzleistung in der deutschen Rechtsgeschichte. Aber hätte es nicht gereicht, diese mit der eingetragenen Partnerschaft zu beenden? Vorstehend habe ich bereits meine Bedenken gegen die "Ehe für alle" zum Ausdruck gebracht. Daran halte ich fest.

Jetzt muss man das in der Zeitung lesen:

Glaubt da die Politik, Kinder seien schmückendes Beiwerk, auf das auch Schwule und Lesben nicht verzichten wollen oder sollen? Nur weil die Medizintechnik heute alles möglich macht? Wo ist denn die Gesellschaft hingekommen, wenn die Politik glaubt, solche Lebensformen etablieren zu müssen?

Ich habe den Eindruck, dass zu viele Abgeordnete im Bundestag herumsitzen, die nicht wissen, was sie Sinnvolles mit ihrer Zeit anfangen sollen. Das zeigt doch nur, wie dringend eine Änderung des Wahlrechts ist. Dann sind alle mit sachgerechten Aufgaben voll ausgelastet und kommen nicht auf verrückte Ideen.

Wenn erst ultrakonservative Kräfte vom rechten Rand Überhand gewinnen, ist es vorbei mit der liberalen Gesellschaft. Ob das den Antreibern der verrückten Ideen bewusst ist?

19.03.2019


Diskussion neu entfacht

22.10.2020 - Süddeutsche Zeitung:
"Papst löst Debatte über gleichgeschlechtliche Partnerschaft aus"

Zitate aus dem Bericht:

"Mit seinem Segen für eingetragene Partnerschaften für homosexuelle Paare hat Papst Franziskus heftige Reaktionen in der katholischen Kirche ausgelöst. Im konservativen und traditionalistischen Lager, das dem Pontifikat des Argentiniers insgesamt kritisch begegnet, sieht man darin einen weiteren Schub für eine Relativierung alter Dogmen; der liberalere, progressive Flügel hingegen freut sich darüber, dass der Pontifex eine Reformforderung aufnimmt."

Und in einem Artikel der Rheinischen Post vom 23.10.2020 wird sehr genau differenziert:

"Die Passage über die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist von Bedeutung, da sich erstmals ein Papst ausdrücklich für diese Lebensform und ihre rechtliche Anerkennung ausspricht. Vor seiner Wahl zum Papst hatte sich Jorge Bergoglio als Erzbischof von Buenos Aires 2010 für ein Lebenspartnerschafts-gesetz eingesetzt, nicht aber für eine Ehe. Diese sei Frau und Mann vorbehalten."

Die von Pabst Franziskus festgestellte feinsinnige Unterscheidung kann ich mittragen. So hatte ich auch selbst immer argumentiert. Das Problem ist nun aber, dass in der aktuellen Aussage auch das Wort von der Familie auftaucht. Und da wird es kritisch. Mir ist nicht klar, wie der Papst das gemeint hat.


Nach oben