Verantwortung

Nicht nur eine Sache der Politiker

"Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben."

Präambel zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Angesichts der Krisen in unseren Tagen erscheint es mir angebracht, diesen Leitgedanken unserer gesamten Rechtsordnung einmal in Erinnerung zu rufen. Anlass dazu sind zwei Artikel, die ich in den letzten Tagen gefunden habe:

  • "Warum wählen Menschen Parteien, die ihnen schaden?"

    Zitat aus dem Bericht der Süddeutschen Zeitung zum Wahlverhalten:

    "Da ist zum Beispiel die Enttäuschung, die viele Menschen gegenüber ihren politischen und wirtschaftlichen Systemen empfinden. Die Soziologin Eva Illouz schreibt, das gefühlte Versagen der Regierungen habe 'zu einer Desillusionierung der Wähler über die vorherrschenden Versionen von Demokratie und Kapitalismus geführt'. Das ist schlimm genug, aber in ihrer Analyse gibt es einen Punkt, der die Sache besonders schmerzhaft macht – das Paradigma der Eigenverantwortung. Die zeitgenössische Kultur poche beharrlich 'auf Verantwortung und die Fähigkeit des Selbst zur Steuerung und Gestaltung seines Schicksals', schreibt Illouz."

  • "Wir könnten uns eine viel bessere Zukunft sichern"

    Zitat aus dem Interview der Tagesschau mit dem Klimaforscher Hans-Otto Pörtner:

    "Die Medien haben sicherlich auch hier eine große Verantwortung. Es wird hier viel zu sehr in Sektoren gearbeitet. Wenn in Wirtschaftsredaktionen weiterhin das Wirtschaftswachstum postuliert wird, ohne zu differenzieren, dass ein Wachstum im Bereich der erneuerbaren Energien erfolgen muss und dass wir eine Umsteuerung in der Arbeitswelt und in unserem täglichen Leben brauchen, dann springen wir dort zu kurz. Wir müssen also eigentlich das Ziel, was in der längerfristigen Zukunft liegt, ständig präsent haben - auch in dem, was wir aktuell sagen und entscheiden."

Der Artikel in der Süddeutschen Zeitung macht deutlich, dass die Bürger lieber "ordentlich" regiert werden wollen, statt selbst Verantwortung zu übernehmen. Unter dem Druck von eigener Verantwortung wählen sie Parteien, die den Eindruck vermitteln, ihnen alle Sorgen abnehmen und den Besitzstand garantieren zu können.

In dem Interview mit dem Klimaforscher wird deutlich, dass die gesamte Berichterstattung in den Medien - sicher aber auch das Sprechen der Politiker, das die Meldungen auslöst - viel zu zersplittert ist. So wird der notwendige Zusammenhang der anstehenden Entscheídungen negiert. Das erinnert mich an das Buch von Wulff D. Rehfus "Die Vernunft frisst ihre Kinder", in dem der Philosoph darstellt, wie aus den dem Grunde nach vernünftigen Ideen durch Zergliederung der Gedanken viele kleine "Vernünfte" werden, die sodann kein vernünftiges Ganzes mehr ergeben.

Wer sich regelmäßig auf meiner Homepage umsieht, kennt meine Einstellung zum Klimawandel. Wir alle tragen gemeinsam eine hohe Verantwortung, durch unser Verhalten die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen zu verhindern. Es sind nicht nur die Berichte über die vielen Katastrophen und Analysen ihrer Ursachen, die mich dazu bringen. Es ist schlicht die Achtung vor Gottes Schöpferwerk, das mir Respekt abverlangt. Meine theologischen Gedanken dazu habe ich auf einer eigenen Seite zusammengefasst.

Schon die Umweltenzyklika von Papst Franziskus hatte mich begeistert. Endlich einmal eine Aussage der Kirche, ihr Glaubensverständnis auf die brennenden Probleme unserer Existenz zu richten. Und da schließt sich der Kreis zu der in der Präambel zum Grundgesetz zitierten Verantwortung.

In einer Kolumne der Süddeutschen Zeitung wurde aus Anlass der Ereignisse auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefragt: "Wann bist Du eigentlich lieb, lieber Gott?" Ich habe in meiner Leserzuschrift darauf hingewiesen, dass wir als Menschen Gott nicht greifen können. Wir machen uns nur Bilder nach unseren Erfahrungen. Wenn es diesen Gott als Schöpfer dieser Welt gibt, ist er eben größer, als wir Menschen uns das vorstellen können. Wir sind und bleiben auf der Suche nach ihm.

Religionen sind entstanden, weil der Mensch von Anfang seines Bewustseins an verstehen wollte, was um ihn herum geschieht. Aus dieser Beobachtung heraus entstehen die Bilder, die wir uns machen. Wer kann sich schon über diese Bilder hinweg vorstellen, was wirklich der tiefere Grund unserer Existenz ist?

Das schon einige Jahrzehnte alte Buch "Der Geist fiel nicht vom Himmel" von Hoimar von Ditfurth fasst es so zusammen:

  • Wir können aufrecht gehen, weil es die Schwerkraft gibt;
  • wir haben Ohren, weil es Töne gibt;
  • wir haben Augen, weil es Licht gibt und
  • wir haben ein Gehirn, weil es Geist gibt.

Damit sind wir Menschen das Ergebnis einer Schöpfung, die auf ein Mehr zurückgeht, als wir selbst wissen, sondern nur erahnen können! Sollte uns das nicht demütig machen und zu mehr Verantwortung für das Geschenk unseres Daseins anregen?

An den Weihnachtstagen haben wir wieder die Botschaft vom Frieden für die Welt vernommen. Aber haben wir auch bewusst wahrgenommen, dass sie nicht nur eine Verheißung darstellt, sondern auch eine klare Forderung enthält? Dieser zweite Teil "den Menschen, die guten Willens sind" wird gern überhört. Ist es doch anstrengend, sich selbst um diesen Frieden zu bemühen. Aber wir haben es in der Hand, Frieden zu schaffen, so wie es die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes in der Präambel versprochen haben. Dafür tragen wir alle die Veranwortung - nicht nur die Politiker!

29.12.2024


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