Energiekosten und Konsumverhalten

Natürlich ist es ärgerlich, wenn ein lieb gewordenes und gerne in Anspruch genommenes Produkt so plötzlich im Preis ansteigt, dass mancher Bürger sich angesichts des schmaler werdenden Geldbeutels überrascht die Augen reibt. Der Streit um die gestiegenen Energiepreise ist aber gleichwohl nicht mehr nachzuvollziehen. Wie ich in meinem Leserbrief zu den Benzinpreisen (RP vom 12.12.2007) bereits vorgerechnet habe, liegt die Preisentwicklung für den Zeitraum seit 1960 noch deutlich hinter der Entwicklung der durchschnittlichen Jahresbruttoentgelte zurück. Und jetzt fallen die Preise wieder - ohne wirklich auf ein Höchstpreisniveau gestiegen zu sein, das einem Vergleich mit den 60er Jahren über einen längeren Zeitraum entsprochen hätte.

Jetzt machen die Preise für die Energie im Haushalt die Runde durch die Schlagzeilen. Aber kaum jemand weist darauf hin, dass wir heute einen Wohnstandard erreicht haben, den Deutschland noch nie gekannt hat. Nach seriösen Erhebungen hat sich die jedem Einwohner zur Verfügung stehende Wohnfläche mehr als verdoppelt. Von rund 15 qm in den 50er Jahren ist sie auf heute mehr als 40 qm gestiegen. Dabei spielt eine wichtige Rolle die Zunahme der Ein-Personen-Haushalte. Ihr Wohnraum beträgt 62,5 qm je Einwohner während der verfügbare Wohnraum im Mehr-Personen-Haushalt immerhin noch 28,5 qm erreicht.

Alle die unter diesen Bedingungen über die gestiegenen Aufwändungen für die Energie klagen, müssen sich fragen lassen, was ihnen die erlangte Wohnqualität wert ist. Nach der Umweltökonomischen Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes, der die zuvor genannten Zahlen entnommen sind, entfallen von den Konsumausgaben der privaten Haushalte 17,0% auf Mietzahlungen, 4,0% auf Energie im Haushalt, und 2,3% auf die Wasserversorgung sowie andere Dienstleitstungen für die Wohung. Wohnen ist also in der Relation immer noch sehr preiswert.

Nach der gleichen Studie betragen übrigens die Aufwändungen für Nahrungs- mittel nur noch 9,9% der gesamten Konsumausgaben. Aus den 60er Jahren habe ich noch die Faustformel in Erinnerung, dass für diese wesentlichen Lebensgrundlagen je ein Drittel des Einkommens eingeplant werden müsse. Natürlich möchte auch ich nur ungern auf erlangte Lebensqualitäten verzichten. Aber eine rechtzeitige Rücklagenbildung federt den Übergang merklich ab. Wer allerdings geglaubt hat, dass sich der einmal erlangte Konsumrausch ungebremst fortsetzen lässt, und sein Einkommen für "Stuss und Staat" verpulvert hat, kann natürlich jetzt nicht mehr mithalten.

Gegenprobe: Aus der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ergeben sich abweichende Zahlen, die ich im Detail nicht erklären kann. Der Trend einer Verschiebung des Konsums weg von den Grundbedürfnissen hin zu mehr gehobenem Lebensstandard wird aber auch mit dieser Statistik eindeutig belegt. So stehen zwar nach dieser Erhebung die Wohnungskosten ganz oben und erreichen sogar die o.g. Faustformel, bedenkt man aber, dass - wie ausgeführt - sich der jedem Einwohner zur Verfügung stehende Wohnraum zugleich mehr als verdoppelt hat, so steht auch bei den Wohnungskosten letztlich die Verbesserung der Wohnungsqualtität im Vordergrund, ohne dass die Kosten bisher einen entsprechend höheren Anteil an den Gesamtausgaben zur Folge gehabt hätten.

Fazit: Wenn jetzt über die wachsenden Energiekosten gejammert wird, muss jeder selbst überlegen, ob der von ihm über Jahre gepflegte Standard notwendig und seinen finanziellen Möglichkeiten angemessen ist.

Übrigens: Ehe ich für diese Anmerkung beschimpft werde noch der Hinweis, dass es immer schon Mitbürger gegeben hat, die kaum mehr als das Existenzminimum zur Verfügung haben. Denen ist aber immer geholfen worden - und so soll es auch dank unserer sozialen Marktwirtschaft bleiben.

3. August 2008

Aktuellere Informationen hat jetzt das Statistische Bundesamt (Destatis) unter dem Titel "Private Konsumausgaben von 2000 bis 2012 preisbereinigt um 7,2 % gestiegen" veröffentlicht.


Verbrauchsstatistik

Einen aktuellen Einblick, was der Lebensunterhalt an Arbeitszeit kostet, liefert die FAZ: "Konsum und Einkommen - Wofür wir arbeiten".

Die dem Artikel beigestellten Grafiken geben einen eindrucksvollen Überblick, wie sehr die Kosten für den allgemeinen Grundbedarf gesunken sind. In dem Artikel wird zutreffend beschrieben, dass die höheren Lebenshaltungskosten aus dem resultieren, was wir uns eben mehr leisten, als für den Unterhalt zwingend notwendig.

Sehr lesenswert!

23.12.2013


13.03.2017 - Süddeutsche Zeitung:
"Wofür die Deutschen ihr Geld ausgeben"

Zitat aus dem Bericht:
"Demnach bleiben dem Haushalt im Durchschnitt 3218 Euro pro Monat übrig, nachdem er seine Steuern und Sozialabgaben bezahlt hat. Davon konsumiert er Waren und Dienstleistungen für 2391 Euro. Den größten Teil gibt die repräsentative Familie fürs Wohnen aus: Die Quote liegt konstant bei knapp 36 Prozent, dürfte regional aber sehr unterschiedlich ausfallen. Zwar sind die Mieten im Jahr 2015 gestiegen. Dafür sind die Ausgaben für Energie um fünf Prozent zurückgegangen, dank günstiger Öl- und Gaspreise."

Ich habe einmal versucht, die Angaben in dem Artikel in einer Tabelle zusammenzufassen und daraus ein Kreisdiagramm zu entwickeln:

Diese Übersicht zeigt vielleicht noch anschaulicher, wie sich der von mir eingangs dieser Seite beschriebene Trend fortsetzt.


Bitte lesen Sie auch weiter unter:
"Klimawandel - Wann verstehen die Menschen endlich ihre Verantwortung?"


Entwicklung der Verbraucherkosten - neue Daten

14.09.2021 - Tagesschau.de: "Inflation und Löhne - Nicht alles wird teurer "

Zitate aus dem Bericht:

"Steigende Preise verunsichern viele Verbraucher. Blickt man auf die Kaufkraft, sind in den vergangenen Jahren so manche Güter und Dienstleistungen tatsächlich aber deutlich erschwinglicher geworden."

"Seit 1960, so das Institut, hat sich der Verdienst pro Stunde mehr als verfünfzehnfacht. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat er sich noch einmal verdoppelt."

"Auffällig ist etwa das Verhältnis des Lohnniveaus zum Spritpreis. Für einen Liter Super-Benzin mussten Verbraucher 2020 durchschnittlich vier Minuten arbeiten, vor zehn Jahren 50 Prozent länger. 1960 musste gut eine Viertelstunde für einen Liter Benzin gearbeitet werden."

In dem Bericht werden weitere interessante Beipiele aufgeführt, auch solche, bei denen der Preis in der Tat gestiegen ist.

Was den Benzinpreis betrifft - und deshalb habe ich das hier aufgegriffen - verwiese ich einfach auf meinen Dreisatz und die weiteren Ausführungen zur Benzinpreisentwicklung.

Der Bericht macht im übrigen deutlich, dass nicht die Preisentwicklung entscheidend ist, sondern die Entwicklung der Kaufkraft. Das soll bedeuten, wie lange muss man für welches Produkt arbeiten. Und da sind in der Vergangenheit deutlich mehr Freiräume für den Konsum entstanden.

Eine Anmerkung kann ich mir aber nicht verkneifen. Der Bericht geht nicht auf die Einkommensschere ein; er rechnet mit Durchschnittslöhnen. Und da sehe ich das Problem. Die hohen Löhne in der Industrie bestimmen die Richtung für den Konsum. Damit können die Löhne im Dienstleistungsbereich nicht mithalten. Folgen Sie dazu meinen Anmerkungen zur Sozialpolitik.


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