Kommunal-Soli
Entrechtung der Kommunen?
Unter der Überschrift "Kommunal-Soli: 59 Städte reichen Klage ein" berichtet die Rheinische Post über den Entwurf einer Verfassungsklage der Kommunen, die durch den Landesgesetzgeber zu einer "Solidaritätsabgabe" gezwungen werden.
Jetzt hört sich das Wort "Solidaritätsabgabe" zunächst einmal sehr positiv an. Warum sollten nicht auch besser gestellte Kommunen den schwächeren helfen, (wieder) auf die Beine zu kommen? Am Beispiel der Stadt Monheim am Rhein wird aber deutlich, wie ungerecht das System ist. Gerade der jahrelangen Finanznot entkommen, freut sie sich über die Früchte ihrer Bemühungen zur Ansiedlung zahlungskräftiger Firmen und soll nun diese Früchte mit anderen Städten teilen.
Betrachtet man die Geschichte der Gewerbesteuer, so wird deutlich, wie sehr sie als Spielball zwischen den Interessen kommunaler Eigenfinanzierung einerseits und wirtschaftspolitischer Förderung der Betriebe andererseits hin und her geworfen worden ist.
Es mag bei der Erfindung der Gewerbesteuer sicher zutreffend gewesen sein, dass mit ihr der Kern des wirtschaftlichen Erfolges der Bürger umfassend abgegriffen werden konnte, um so einen Teil davon in die kommunale Finanzierung zu lenken. Der Wohlstand der Bürger einer Stadt basiert aber schon längst nicht mehr allein auf den in ihrer Stadt ansässigen Gewerbebetrieben. Da aber die Städte ihre Finanzen eigenständig nur über die Anhebung oder Senkung der Gewerbesteuer beeinflussen können, ist ein Wettbewerb um die Ansiedlung von potenten Firmen entstanden. Die aktuell stattfindenden Bemühungen um eine zukunftsfähige Regional- und Landesentwicklungsplanung macht deutlich, wie hier mit harten Bandagen gekämpft wird, noch mehr Freiraum zu opfern, um sich in diesem Wettbewerb Vorteile zu verschaffen.
Ich habe mich schon mehrfach mit diesem Wettbewerbscharakter der Gewerbesteuer auseinandergesetzt und auf die Versuche und Modelle ihrer Ersetzung hingewiesen. Es ist allerhöchste Zeit, sie durch ein neues System von Zuschlägen zur (betrieblichen und persönlichen) Einkommensteuer zu ersetzen. Dazu ist zunächst eine Reform der Unternehmensbesteuerung erforderlich, bei der die betriebliche Ertragssteuer unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens einheitlich festgesetzt und erhoben wird. Die von den Unternehmen an ihre Eigner ausgeschütteten Erträge (von den Einzelunternehmern oder Personengesellschaftern entnommenen Gewinne) unterfallen sodann der progressiven Besteuerung ebenso wie die Löhne und anderen Einkünfte der Bürger einer Stadt.
Räumt man sodann den Kommunen ein selbst zu bestimmendes Zuschlagsrecht auf das gesamte Aufkommen betrieblicher und persönlicher Einkommensteuer ein, verbreitert man die Berechnungsbasis und vergrößert zugleich das Interesse aller Bürger an einer gesunden Finanzentwicklung ihrer Stadt.
Sollte die Klage erfolgreich sein, und dafür spricht einiges, stellt sich sowieso die Frage, wie man die Finanzen der Kommunen auf breiter Front neu regeln kann. Da sollte rechtzeitiges Vorarbeiten doch nicht schaden. Und da die Modelle alle längst auf dem Tisch liegen, kann man sich schon jetzt an bei Arbeit für eine grundlegende Reform machen.
18.11.2014
Diskussion bei Günther Jauch
In der letzten Sendung von Günther Jauch ging es um die Frage, ob der Staat endlich auf die Einnahmen aus dem "Soli" verzichten könne. In dem Zusammenhang warf die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft der Stadt Monheim mangelnde Solidarität vor. Die Rheinische Post berichtet heute über die Reaktion in Monheim: "Zimmermann kontert Krafts Monheim-Kritik bei Günther Jauch".
Auch ich habe bereits als Reaktion auf die Sendung die Ministerpräsidentin aufgefordert, endlich die aus reiner Ideologie erfundenen "Aufgaben" zu streichen. Wenn sich der Staat auf seine Kernaufgaben zurückzieht und es dem Bürger überlässt, seine Bedürfnisse in eigener Verantwortung zu organisieren und zu finanzieren, kommt der Staat auch mit weniger Einnahmen aus.
Wenn dann noch das Heberecht der Kommunen durch Ersetzung der Gewerbesteuer auf eine breitere Grundlage gestellt wird, können die Bürger über ihre Vertreter im Rat vor Ort selbst entscheiden, welche Aufgaben sie in ihrer Stadt auch gemeinschaftlich organisieren und finanzieren. Das wäre Wettbewerb in Eigenverantwortung und es hätte wieder das Motto Gültigkeit: "Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch."
02.12.2014
30.08.2016 - Rheinische Post: "NRW-"Kommunalsoli" ist rechtens"
Zitat aus dem Bericht: "Hans-Josef Linßen, Bürgermeister der Stadt Straelen (CDU), fasst das Ergebnis in einem Wort zusammen: 'Bitter.' "
Ich hatte zwar auch geglaubt, dass die klagenden Kommunen eine Chance gehabt hätten. Nach meinem Eindruck hat es sich das Gericht auch nicht leicht gemacht. Die Pressemitteilung lässt jedenfalls erkennen, dass sehr viele Argumente abgewogen worden sind.
Das Gericht spricht insbesondere davon, dass auch die Kommunen untereinander zu Solidarität verpflichtet seien; man könne den finanziellen Ausgleich nicht allein dem Land überlassen.
Ich meine, dass die geforderte Solidarität darin bestehen sollte, erst einmal auf den ruinösen Wettbewerb um die Ansiedlung von Gewerbebetrieben zu verzichten. Schließlich steht schon begrifflich die "Konkurrenz" der "Solidarität" im Wege. So betrachtet bietet das Urteil einen grundlegenden Hinweis und die Chance auf eine neue Diskussion.
Solange sich die Kommunen im wesentlichen über die Gewerbesteuer finanzieren, ist der dadurch ausgelöste Konkurrenzkampf um die Ansiedlung von Gewerbe nicht in den Griff zu bekommen; dieser muss aber dringend beendet werden. Wie ich hier mehrfach erläutert habe, brauchen wir endlich eine breitere Basis der Selbstfinanzierung durch Einführung eines Zuschlags zur Einkommensteuer. Der derzeitige pauschale Anteil bietet keine hinreichende Mitentscheidung der zahlenden Bürger bei der Verwendung der Mittel. Nur der direkte Zusammenhang zwischen Ausgabeverhalten und Steigerung der Steuereinnahmen fördert die Demokratie.
Vergleicht man nämlich das Verhalten der Kommunen hinsichtlich der Gestaltung der Hebesätze für die Gewerbesteuer einerseits und die Realsteuern (Grundsteuer A und B) andererseits, kann man eine gewisse Zögerlichkeit feststellen, wenn es um die Frage geht, wem man eher in die Tasche greifen könnte. Lesen Sie bitte meine Ausführungen zur Gewerbesteuer.
Und was die Schieflage einiger Kommunen hinsichtlich hoher Soziallasten betrifft, so sei daran erinnert, dass diese bei Umwandlung aller Transferleistungen in ein Bürgergeld über die Einkommensteuer verrechnet werden können und so nicht mehr die einzelne Kommune direkt belasten. Auch dazu finden Sie entsprechende Ausführungen von mir.
Es fragt sich jetzt nur, ob die Kommunen im Wege der Klage weiter kämpfen, oder die große Politik endlich einmal bereit ist, den Knoten durchzuschlagen und sich um eine grundlegende Neuordnung der staatlichen Finanzierungs-systeme im Verhältnis zum Bürger kümmert, damit über die Ausgewogenheit von Einnahmen und Ausgaben auf den Ebenen entschieden werden kann, wo dies hin gehört und möglich ist, ohne in die Entscheidungsspielräume anderer eingreifen zu müssen.
Überarbeitet 31.08.2016